17 Nov 2014 Nikon D750 im Kurztest
Nikon hat mit der D750 eine Kamera herausgebracht, die mich seit der Veröffentlichung gereizt hat. Vor rund zwei Wochen habe ich mich für den Kauf entschieden und möchte euch hier einen kleinen Vergleich zu der D800 und meiner 5D Mark II geben. Ich halte nichts von irgendwelchen Labormessergebnissen, sondern habe mir die D750 einfach gegriffen, bin rausgegangen und habe fotografiert, dafür ist sie schließlich da.
Gehäuse und Griff
Der Hersteller hat das Äußere der D750 zu früheren Modellen kaum verändert. Nikon-User werden sich gleich heimisch fühlen. Es gibt reichlich Knöpfe zur Bedienung, die allesamt gut erreichbar sind. Zur schnellen Umschaltung der Modi verbaut Nikon ein Programmwahlrad. Prinzipiell ist das praktisch, allerdings wurde das meiner Meinung nach bei der D800 besser gelöst. Diese hat nämlich statt des Rades oben vier Funktionstasten, um schnelle Einstellungen (ISO, WB, …) direkt am kleinen Display vorzunehmen.
Das Gehäuse der D750 ist nicht mehr komplett aus Magnesium, was man ihr aber überhaupt nicht anmerkt. Alles wurde hochwertig verarbeitet und abgedichtet. Das geringe Gewicht, was sich durch die Materialanpassung ergibt, ist gerade auf Reisen ein großer Pluspunkt. Auch mit geringeren Abmaßen punktet die Nikon im Gegensatz zu den beiden Boliden 5D Mark II und D800.
Die D750 liegt endlich fantastisch in der Hand. Erstmals hat Nikon nämlich den Handgriff etwas schmaler gemacht. Er kommt somit näher an den der Canons heran. Die D800 konnte mich hier nicht so überzeugen. Dort schlage ich durch den dicken Griff immer wieder mit den Fingerspitzen vorn an das Gehäuse an.
Die Speicherkartenabdeckung ist bei der D750 jetzt auch gummiert und damit sehr griffig. Dies finde ich ist eine sinnvolle Änderung, kann die Kamera doch gar nicht gut genug in der Hand liegen. Für meine Hände ist die Größe der D750 optimal. Meine Finger passen gut in die Griffschale und ich stoß auch nirgends an. Die 5D Mark II greift sich noch einen Tick besser, aber viel Unterschied ist da nicht.
Schwenkdisplay & WLAN
Früher habe ich mich für solche „Spielereien“ nie interessiert. Aber der Mensch ist nun mal ein Gewohnheitstier und wir gewöhnen uns einfach zu schnell an etwas. Seit meiner Islandreise habe ich mich etwas in das Klappdisplay verguckt, als Martin geile Perspektiven und Blickwinkel aus der Hocke zauberte. Nun hat es das Klappdisplay in die neue D750 geschafft. Es wirkt stabil gebaut und lässt sich nach unten und oben kippen. Ein seitliches Klappen sieht Nikon nicht vor, was meiner Meinung nach überhaupt nicht schlimm ist.
Gerade in der Landschaftsfotografie sind solche „Spielereien“ genial und unterstützen ungemein. Ich muss mich nicht mehr hinlegen oder verbiegen, sondern kann einfach den Monitor nach oben klappen. Endlich bringt eine Vollformatkamera dieses Feature mit, danke Nikon.
Damit nicht genug, gibt es in der D750 sogar WLAN. Was soll man dazu sagen? Es funktioniert wirklich total einfach. Mittels der eigenen App wird die Verbindung zur Kamera aufgebaut und danach können wir auch schon das Liveview sehen. Ich habe mir mit der App auch gleich das WLAN mit Passwort gesichert, um Zugriff durch Fremde zu unterbinden. Das kann ich nur jeden empfehlen!
Autofokus
Mit dem Autofokus habe ich jetzt nicht so viel herum gespielt. Ich kann nur sagen, dass er deutlich besser ist als bei der 5D Mark II, die ja bekanntlich da eh keine große Innovation war. Die D750 findet auch bei sehr schwachen Licht einen Fokus, wo meine 5D Mark II nur sinnlos am pumpen ist. Gegenüber der D800 konnte ich keine Unterschiede ausmachen. Gut finde ich bei beiden Nikons die vielen Messpunkte, die einen großen Teil des Suchers abdecken. Man ist dadurch deutlich flexibler.
Sensor
Ein Grund, warum ich überhaupt erst Nikon in Erwägung gezogen habe, sind die Sensoren. Die D750 bringt eine Auflösung von 24MP mit sich und liegt damit deutlich unter der D800, dafür aber über meiner 5D Mark II.
In den zwei Wochen konnte ich bei den beiden Sensoren der Nikon Kameras keine Unterschiede feststellen. Selbst der Sensor der 5D Mark II ist nach wie vor eine Wucht. Fakt ist aber, dass sich die RAW Dateien der D750 (und auch der D800) viel besser in der Nachbearbeitung „verbiegen“ lassen, als die der Canon. Der Dynamikumfang ist einfach größer. Endlich kann ich abgesoffene Tiefen hochziehen, ohne dabei Rauschen zu befürchten, wie es bei der Canon der Fall war. Ich habe nun einfach viel mehr Möglichkeiten. Toll!
Sonstiges
An der D750 fiel mir besonders der leise Auslöser auf. Anscheinend hat Nikon hier spezielle Dämpfer eingebaut, die den Spiegelschlag abbremsen. Die D800 und die 5D Mark II sind dem gegenüber deutlich lauter und nerviger. Auch die Geschwindigkeit hat Nikon verbessert und sie ist jetzt bei 6,5 Bildern pro Sekunde angelangt, was schon ziemlich schnell ist. Da ich meist keinen Sport oder ähnliches fotografiere, war mir das nicht so wichtig. Dennoch ist es eine begrüßenswerte Verbesserung.
Leider hat man keine Möglichkeit, die Displaybeleuchtung beim Druck auf den hinteren Einstelltasten zu deaktivieren. Ich drücke normalerweise die jeweilige Taste (z.B. ISO) und arbeite dann mit dem kleinen Display oben, weil dies ausreichend ist für mich. Unweigerlich schaltet die D750 aber das große Display an. Auch wenn man sich dran gewöhnen kann wäre es trotzdem schön, diese Option im Menü abschalten zu können.
Auf der Rückseite hat Nikon auf den AF-ON Button verzichtet und der integrierte Okularverschluss ist auch nicht eingebaut. Ich habe diese Sachen so gut wie noch nie gebraucht, kann mir aber gut vorstellen, dass sie für den einen oder anderen wichtig sind. Nikon hat diese Features, so wie es aussieht, nur den Top Modellen versprochen.
Einen Blitz spendiert Nikon der D750 natürlich auch. Da schaue ich mit meiner 5D Mark II schon etwas neidisch, auch wenn er bei mir selten zum Einsatz kommt. Eine kleine aber feine Verbesserung hat Nikon in die neue Kamera jetzt eingebaut. Bei der D800 hat es mich doch sehr gestört, dass der Blitz auch ausklappt, wenn die Kamera im Standby oder gar ausgeschalten ist. Hängt man sich die Kamera lässig um und läuft ein Stück, passiert es immer mal wieder, dass der Blitz einfach so ausklappt. Eine leichte Berührung reichte da unter Umständen schon aus. Die D750 tut genau diesen „Fehler“ korrigieren. Erst im Betrieb klappt der Blitz wirklich aus. Der Knopf löst also die Spiegelhalterung nicht mehr direkt mechanisch, sondern gibt jetzt ein elektronisches Signal zum Öffnen.
Fazit
Endlich gibt es eine Vollformatkamera mit technischen Raffinessen, die so kombiniert bisher nur in Cropkameras verbaut worden. Nikon hat mit der D750 alles richtig gemacht. Es macht einfach Spaß, mit ihr unterwegs zu sein. Der fantastische Sensor, der angenehme Griff und das Klappdisplay, wie auch das leichte Gewicht machen die D750 zu einer kleinen Kamera, die in Wahrheit ganz groß ist. Die kleinen Kritikpunkte, wie etwa der fehlende Okularverschluss, sind zwar schade, aber für mich nicht ausschlaggebend. Am Ende ist es das gesamte Handling, was einfach Freude bereiten muss und das war mit der D750 bei mir der Fall. Gut gemacht, Nikon! Die D610 wird jetzt sicherlich deutlich im Preis fallen, da die D750 eher als inoffizieller Nachfolger angesehen wird. Vor der D800/810 braucht sich Nikons neues Model definitiv nicht verstecken. Wer auf die 36 Megapixel und die Bedienung der D800/810 verzichten kann, erhält wohlmöglich mit der D750 die geeignetere Kamera.
Warum überhaupt Nikon…?
Seit mehreren Jahren fotografiere ich nun schon mit meiner Canon 5D Mark II und in all den Jahren bin ich sehr zufrieden gewesen mit ihr. Ein Wechsel kam für mich nie in Frage. Warum auch, wenn es nichts zu bemängeln gibt.
Als Nikon die D800 vorstellte, habe ich schon einmal hinüber in das gelbe Lager geschaut. Damals reizten mich die 36 Megapixel irgendwie. Nach ein bisschen hin und her überlegen, habe ich meiner 5D Mark II aber die Treue gehalten, schon alleine wegen den Objektiven.
Nach einer Tour war ich vor ein paar Monaten dann aber relativ frustriert, waren doch viele Sonnenuntergangsbilder nach dem hochziehen der Tiefen in der Bildbearbeitung einfach nur flau und rauschten. Ein HDR-Typ war ich noch nie, deshalb war das keine Option für mich. Ich hatte aus Gewichtsgründen auch kein Stativ dabei und fotografierte einfach mit mehreren Belichtungen, um am Ende eine zu bearbeiten. Doch so richtig glücklich bin ich nicht geworden und zum ersten mal wünschte ich mir mehr Dynamik.
Ich wusste, dass Nikon genau damit trumpfte und so kaufte ich mir kurze Zeit später dann wirklich eine gebrauchte D800. Natürlich war es erst mal ein geiles Spielzeug und die Dynamik war echt gut. Doch ziemlich schnell merke ich, dass 36MP wirklich gehändelt werden müssen. Für die feinen Details natürlich Top, aber selbst Lightroom kam mir Gefühl langsamer vor. Auf Dauer jedes Bild mit 40-50MB zu haben, konnte ich mir noch nicht vorstellen. Ich legte sie also bei Seite und konzentrierte mich auf die neu erschienene D750, die ich mir dann auch kurze Zeit später kaufte.
In ihr sah ich endlich „meine“ Kamera. Die ersten Touren mit der neuen Errungenschaft waren einfach nur geil. Für mich stand klar, dass die D750 mein neues Arbeitstier wird. Klappdisplay, wenig Rauschen, WLAN und das geringe Gewicht waren für mich ausschlaggebend, Und natürlich der Dynamikumfang.
Irgendwann kamen aber wieder Zweifel auf, warum es mit der 5D Mark II nicht mehr so recht klappen wollte. Immerhin besaß ich bereits genügend gute Aufnahmen, die schon mit der Canon gemacht worden. Ich machte mir in Folge dessen Gedanken über meine Arbeitsweiße und entdeckte hier schließlich noch für mich Potenzial zur Verbesserung. Klar unterstützen uns neue Techniken ungemein, aber am Ende bin „ICH“ doch für das Foto zuständig. Im Nachhinein sieht man dann auf dem fertigen Bild eh nicht, welche Technik zum Einsatz kam.
Ein Systemwechsel wäre teuer geworden, immerhin hatte ich schon einige passende Canon Objektive in meiner Fototasche. Inzwischen ist die D750 zurück gegangen und ich halte abermals meiner 5D Mark II die Treue. Gut, dass sie bis dahin noch nicht verkauft war. Die Nikon D750 ist eine gute Kamera, keine Frage. Aber die Canon 5D Mark II ist nie wirklich schlecht gewesen, nur weil ich mal nach einer Tour nicht zufrieden war. Alles in allem bin ich froh, diese Entscheidung getroffen zu haben, denn sie zeigt, dass immer noch Reserven nach oben vorhanden sind. Ich will euch damit sagen, dass es manchmal besser ist, seine eigene Arbeitsweise zu hinterfragen, anstatt immer der Technik die Schuld zu geben. Und wer weiß, vielleicht bringt Canon ja schon im nächsten Jahr mehr Dynamik in ihre Sensoren, um in dieser Kategorie gleich zu ziehen. 😉
Cheers!
Manuel